



Sozialer Abstieg durch Wohnungsrenovation
Henriette Kläy
Renovation einer Wohnung bedeutet Kapitalanlage und Werterhaltung. Wer sich seine Wohnung nach einer Renovation nicht mehr leisten kann, findet oft zum gleichen Preis nur noch eine kleinere Wohnung, welche die Renovation noch vor sich hat. Eine Kettenreaktion, die mit ständigen Umzügen in immer prekärere Situationen mündet.
Dieser Prozess kann Beziehungen und Voraussetzungen für die Berufsausübung vernichten. 14 Jahren lang bewohnte Leda V. (Pseudonym) eine kleine 2,5-Zimmerwohnung in der Stadt. Die Küche war geräumig, aber zu eng um wirklich darin essen zu können. Die Nasszelle bot auf engstem Raum das Nötigste. Im Schlafzimmer gab es Platz für einen Schrank und ein Bett. Leda hatte ein Hochbett gekauft, unter welchem ein Schreibtisch Platz fand. Dafür bezahlte sie eine ortsübliche Miete von 1.100.- Fr., die oberste Grenze für ein IV-Budget mit Ergänzungsleistungen. Das heisst, so viel hatte sie bezahlt, bis das Haus verkauft wurde und die Miete um Fr.200.- aus unerfindlichen Gründen in die Höhe schnellte. Denn in der Wohnung hatte sich nichts geändert. Da die Miete von Ledas Freund auch gerade erhöht worden war, zog sie zu ihm. Aber die Bedürfnisse der beiden standen sich diametral gegenüber. Für den Geschmack eines Asketen waren die Besitztümer der leidenschaftlichen Sammlerin zu gross. Leda musste sich von vielem trennen, auch vom Hochbett, das ihr später fehlen würde - eine Zerreissprobe.
Vom Regen in die Traufe
Kaum war sie bei ihm eingezogen, wurde die Wohnung wegen Renovation gekündigt. Leda suchte verzweifelt nach einer bezahlbaren Wohnung, die gross genug wäre, um den Bedürfnissen von beiden gerecht zu werden. Schliesslich fand sie eine 4-Zimmerwohnung. Allerdings ohne genügende Isolation - die nächste Renovation war abzusehen. Leda versuchte, die Wohnung für beide annehmbar einzurichten. Da wurde ihr Atelierraum gekündigt und sie musste das zusätzliche Material auch noch in der Wohnung unterbringen. In der Beziehung kriselte es, der Freund drohte mit Auszug. Alle Erklärungen, das seien die Grundlagen ihres Berufes, den sie wieder ausüben wollte, sobald die Zügelei vorbei sei, waren vergebens. Eines Abends lag seine Wohnungskündigung auf ihrem Bett. Nun war die Katastrophe komplett.
Renovationsnomaden
So muss Leda ihr Material verhökern, um das viel zu knappe IV-Budget einzuhalten. Hätte sie das Geld für eine Ausweichmöglichkeit gehabt, wären die beiden vielleicht heute noch zusammen. Leda hat nicht nur ihren Freund, sondern auch die Grundlage und damit die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit verloren. Denn sie ist nicht in der Lage, teures Material neu zu kaufen. Die kleine Geldreserve ist für die Umzüge draufgegangen, und diese haben ihre Situation fortlaufend verschlimmert. Immer öfters begegnet Leda auf der Wohnungssuche die folgende Ankündigung: „Auch wir lernen dazu; Wir haben leider sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb bevorzugen wir Mieter ohne Unterstützung und Beistand der Sozialhilfe und von Hilfswerken.“ Diskriminierend und demotivierend zugleich.